Erfahrungsbericht von Anonym
Ich habe lange darüber nachgedacht, um meine bisherige Geschichte zu erzählen.
DANKBARKEIT
Die Dankbarkeit ist ein positives Gefühl oder eine Haltung in Anerkennung einer erhaltenen oder zu erhaltenen Zuwendung. (Wikipedia)
Auf meinem Weg, in meinem Leben gibt es mir wichtige Menschen, die mich konstant aktiv unterstützen und begleiten. All jenen bin ich zutiefst dankbar. Ohne eure und Ihre Hilfe und Zuwendung hätte ich schon oftmals aufgegeben. Für euch, Sie und für die Menschen, die mit der Erkrankung der Tuberkulose konfrontiert werden, schreibe ich.
Am Anfang der Erkrankung weiß niemand, dass es sich um Tuberkulose handelt. Die Beschwerden sind nicht eindeutig. Ich hatte schon seit meiner Kindheit Migräne, die durch meinen Schichtdienst verstärkt wurde. Die Zunahme der Intensität 2016 sowie Lichtempfindlichkeit gehörten wohl auch zu den ersten Symptomen. Nur brachte dies keiner in Zusammenhang. Appetitlosigkeit, streckenweise starke Übelkeit, Gewichtsabnahme, Atemnot, extreme Zunahme der Mattigkeit, körperlichen Erschöpftheit, Leistungsabfall, kein Husten / kein Abhusten– nur Krächzen möglich- etappenweise, Unterschenkel- Schienbeinschmerz. Das Auffälligste war wohl für andere der Gewichtsverlust, für mich der abnorme Kraftverlust.
Am 14.02.2019 kam es zu Nasenbluten, Schmerzen im Rippenbereich, halt nur ein weiteres Krankheitsgefühl. Eine Antibiotikatherapie, ein Röntgen Thorax (Lunge) zum Ausschluss einer Bronchitis erfolgte am 22.02.2019. Ein Kontrollröntgen, welches am 18.03.2019 erfolgte, sollte dann alles richten. Die Aufnahme sah jedoch identisch der ersten Aufnahme aus. Am gleichen Tag führte man einen Lungenfunktionstest sowie eine Blutentnahme durch, die anschließende Untersuchung der Lunge mittels Computertomographie erfolgte einen Tag später. Mittels stationärem Kurzaufenthalt vom 20.03.2019- 26.03.2019 bestätigte sich durch eine Bronchoskopie die Diagnose der Tuberkulose am 08.04.2019. Am 12.04.2019 begann mein stationärer Aufenthalt. Verlassen habe ich die Klinik am 08.07.2019. Der Aufenthalt war geprägt mit „auf und ab Situationen“ durch die Entwicklung einer toxischen Hepatitis. Somit wurden die Medikamente abgesetzt und wieder „ eingeschlichen“. Die Kontrolle der Augen bei Einnahme von EMB, Ethambutol, wird laut Leitlinien vor/bei Beginn der Therapie (dzk-tuberkulose.de) empfohlen. Meine Augen-Kontrolle fand nach Ende der EMB-Therapie statt, am 07.10.2019. Nach insgesamt neunmonatiger Therapie endete die gesamte Tuberkulose-Behandlung.
Damit kamen und kommen dann andere Sorgen, Beschwerden, Erkrankungen, die mit der Tuberkulose in Folge oder direkt in Zusammenhang stehen. So zum Beispiel fingen Beschwerden bei mir direkt nach der Krankenhausentlassung an, andere wiederum fingen langsam an. Irgendwann erhielten diese dann eine neue Diagnose.
Ein wichtiger Aspekt rund um die Erkrankung sind die Säulen der Persönlichkeit, der Familie und Umwelt / Freunde, der Finanzen und des Berufes. Das Annehmen der Diagnose „Tuberkulose“ ist ein langer Prozess. Die behutsame Achtsamkeit mit sich selbst. Allem voran ist die medizinische Betreuung, die Pflege, die Nachsorge der Knotenpunkt. Diese Mechanismen müssen spätestens nach der Diagnosestellung greifen. So kann der Patient / die Patientin gesunden, denn geheilt ist man nicht. Tuberkulose ist eine chronische Infektionskrankheit.
Übrigens. Die Euphorie mit der Diagnose hatte ich nie. Ich wusste, dass was nicht stimmt und hatte Gehör, Mitgefühl, Medizin, Diagnostik, Versorgung, einfach alles erhofft, kam ich doch selbst daraus. In meiner schwindenden körperlichen Verfassung wechselte ich mehrmals beruflich, um irgendwie kürzer zu treten, um mein Familienleben, mein LEBEN, am Laufen zu halten. Ohne Erfolg. Und irgendwann hört man auf zu reden.
Es braucht keine 10 min, um sich anzustecken. Es brauchte 4 Jahre, um diagnostiziert zu werden.
Ich möchte helfen, dass das Verständnis für die Vielfalt der Beschwerden ernst, die Einzigartigkeit jedes in der Zukunft betroffenen Erkrankten wahrgenommen und dem Unverständnis der Umwelt entgegengewirkt wird.
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“Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.“ (Das Ärztliche Gelöbnis). DANKE an alle, die tagtäglich danach handeln.
Erfahrungsbericht von Carolin Fuchs
Im Mai 2012 wurde bei mir nach monatelangen Beschwerden eine offene Lungentuberkulose diagnostiziert.
Von Kindertagen an war ich im Winter von Husten geplagt. Als der Husten in den ersten Wintermonaten 2011 auftrat, machte ich mir keine außergewöhnlichen Sorgen. Doch nach kurzer Zeit trat eine starke Müdigkeit auf und Mitte Dezember ereilte mich im Schulunterricht eine Migräneattacke inklusive Aura. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es sich um eine – bis heute immer wiederkehrende – Migräne handelt und ich hatte vor allem wegen der aufgetretenen Sehstörungen Angst. Mein Hausarzt schickte mich zum MRT und der Neurologe diagnostizierte daraufhin eine stressbedingte Migräne.
Die Wochen und Monate vergingen, der Husten blieb. Nachtschweiß, Nasenbluten, ungewollte Gewichtsabnahme, Rückenschmerzen, Erschöpfung und Abgeschlagenheit kamen hinzu. Ich hatte Angst vor einer schlimmen Erkrankung und funktionierte nur noch. Die Ungewissheit war unerträglich und ich war physisch und mental erschöpft. Mehrmals suchte ich meinen Hausarzt auf. Meine Blutwerte und ein Lungenfunktionstest waren unauffällig. Gegen die Rückenschmerzen wurde mir Krankengymnastik verordnet.
Ende April ging es mir im Unterricht wieder sehr schlecht und ich suchte erneut meinen Hausarzt auf. Ein auffälliges EKG und die Blutwerte bestätigten, dass meine Beschwerden physischer Natur waren. Er vermutete einen Eisenmangel und verschrieb mir entsprechende Präparate. Parallel vereinbarte er für mich noch in derselben Woche einen Termin bei einem Internisten. Die Wartezeit fühlte sich endlos an, doch am Abend vor dem Termin spürte ich eine tiefe innere Ruhe. Ich wusste, der nächste Morgen wird mir die lang ersehnte Klarheit verschaffen. Ich rechnete damit, am nächsten Tag mein Todesurteil zu erhalten.
Der Internist untersuchte mich von Kopf bis Fuß und erkannte bei der Röntgenaufnahme auf den ersten Blick, dass es sich um eine Lungentuberkulose handelt. Ich war erleichtert. Sehr erleichtert sogar, denn ich wusste zwar nicht, was mich erwartet, aber ich hatte von Tuberkulose schon einmal gehört und wusste, dass diese Krankheit heilbar ist. Eine große Last ist im Moment der Diagnose von mir abgefallen. Ich spürte endlich wieder den Boden unter meinen Füßen. Wie in Trance fuhr ich im Anschluss mit meiner Familie in die einstündig entfernte Lungenfachklinik und wurde dort stationär aufgenommen.
Nachdem die Ärzte mir erklärten, was in den kommenden Wochen auf mich zukommt, verspürte ich erneut Angst. Ich musste allein isoliert für mehrere Wochen in der Klinik bleiben, durfte nur mit Schutzkleidung nach draußen und erhielt neben den Standard-Antituberkulotika in der ersten Woche über die Vene Flüssigkeit. Der rund vierwöchige Klinikaufenthalt war ein Wechselbad der Gefühle. Ich war unter anderem enttäuscht, die Abiturprüfungen, die in dieser Zeit stattfanden, nicht ablegen und damit das geplante Studium nicht antreten zu können. Gleichzeitig war ich unglaublich dankbar für die Gewissheit und die Heilungschancen. Ich hatte wieder Hoffnung und Perspektiven.
Zunächst reagierte mein Körper mit Übelkeit, niedrigem Blutdruck und hohem Puls auf die Medikamente, doch nach ein paar Tagen vertrug ich diese gut und es ging aufwärts. Nach zwei Wochen kontrollierte ein Augenarzt meine Augen (Dies war alle zwei Monate bis zum Ende der Behandlung nötig.) und eine Ärztin mit psychopneumologischem Arbeitsschwerpunkt stand mir zur Seite. Wöchentlich gab ich eine Sputumprobe ab, die leider nicht wie erwartet nach 2-3 Wochen, sondern erst im August negativ war. Dies bedeutete auch, dass ich bis dahin ansteckend war und bei Kontakt mit anderen eine Maske tragen musste. Während meines stationären Aufenthaltes kontaktierte mich mehrmals das Gesundheitsamt und forderte sämtliche Angaben zu meinen Kontakten der letzten Wochen ein.
Anfang Juni wurde ich entlassen und von nun an von einem Lungenfacharzt vor Ort betreut. Nach zwei Monaten Therapie sollten zwei der vier Antituberkulotika abgesetzt werden, doch aufgrund der weiterhin positiven Kultur durfte ich nur Ethambutol absetzen. Pyrazinamid wurde für weitere drei Wochen verabreicht und bereitete mir große Probleme. Ich bekam starke Gelenkschmerzen und bat meinen Lungenfacharzt um Rat. Dieser vermutete, dass sich die Tuberkulose auf die Knochen ausgebreitet hat und schickte mich zum Rheumatologen. Die Untersuchungen waren unauffällig und nach Absetzen von Pyrazinamid verschwanden die Gelenkschmerzen.
Im August erhielt ich die erlösende Nachricht, dass die angelegte Kultur und die abgegebene Sputumprobe negativ waren und keine Ansteckungsgefahr mehr bestand. Die Therapie mit Rifampizin und Isoniazid konnte wie geplant nach sechs Monaten beendet werden.
Die Ärzte und mein Umfeld reagierten ganz unterschiedlich auf die Situation. Die meisten Ärzte waren verständnisvoll und beantworteten geduldig meine Fragen, andere verhielten sich herablassend. Eine immer wieder gestellte Frage war und ist: Wo hast du die Tuberkulose her? Und viele belegten mich mit den gewöhnlichen Vorurteilen, die diese Erkrankung mit sich bringt. Auf die Frage nach der Ansteckungsquelle habe ich selbst keine Antwort und es war sehr verletzend, in eine Schublade geschoben zu werden, obwohl ich nichts für meine Krankheit konnte. Ich gehörte nun mal keiner Risikogruppe an und hatte keinen wissentlichen Kontakt zu einer erkrankten Person. Trotzdem war ich immer wieder gezwungen, mich für die Tuberkulose zu rechtfertigen. Auch einige meiner Klassenkameraden waren nicht gut auf mich zu sprechen, denn sie hatten Sorge, sich bei mir angesteckt zu haben. Glücklicherweise wurde bei keiner weiteren Person in meinem Umfeld die Diagnose Tuberkulose gestellt. Seit Corona ist es selbstverständlich, mit Maske außer Haus zu gehen, doch vor zehn Jahren fiel ich mit Maske auf. Von Mitgefühl, bösen Blicken bis Ansprache von Fremden, die mich nach dem Grund der Maske fragten, war alles dabei.
In der Klinik habe ich einen schönen Spruch gelesen, der meines Erachtens viel Wahrheit in sich trägt: Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es vorwärts. Und so blicke ich auf die Tuberkulose zurück. Hätte es sie nicht in meinem Leben gegeben, wäre vieles anders gelaufen. Für mich war sie ein Segen und ich wünsche mir, möglichst vielen Menschen mit meiner TBC-Erfahrung Mut und Hoffnung geben zu können.
Titelbild: Annie Spratt (pixabay.com)